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Christian Scholz Gedanken und Materialien zur Generation Z



 

Generation Z und Politiker: Warum sie nicht zueinander finden

von Christian Scholz am 2. Dezember 2015

Eigentlich müssten Politiker angesichts dieser Zahlen über die Generation Z alarmiert sein: Nur zwei Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren engagieren sich in der Politik; gerade einmal drei Prozent sind Mitglied in einer politischen Partei, aber immerhin 14 Prozent in einer religiösen Vereinigung und 48 Prozent in einem Verein. Gleichzeitig zeigt die aktuelle Shell-Jugendstudie, dass bei Jugendlichen bis 25 Jahre immerhin 41 Prozent an politischen Themen interessiert sind – mit steigender Tendenz.

Also: Politik ja, aber Politiker nein?

Im Gegensatz zu ihren (Groß-)Müttern und (Groß-)Vätern schafft sich die Generation Z eine weitgehend politikerfreie Zone. Sie erwartet nichts von Politikern. Sie ist dabei weder frustriert noch verärgert. Die Generation Z blendet Politiker einfach aus ihrem täglichen Leben aus.

Problem #1: Politiker machen Politik gegen die Generation Z

Zunächst einmal bietet sich ein Blick auf die Zusammensetzung des deutschen Bundestages an: Gerade einmal zwei Prozent der Abgeordneten sind unter 30 Jahre alt, während die Babyboomer mit über 50 Prozent die absolute Mehrheit stellen. Irgendwie überraschen dann politische Initiativen wie zum Beispiel die Rente mit 63 nicht wirklich.

Gleichzeitig leidet die Generation Z unter der in Deutschland auf Drängen der Industrie und einiger die Politiker beratenden Babyboomer deutlich „unternehmensnah“ ausgerichteten Bologna-Reform. Auch „Reformen“ wie das 8-jährige Gymnasium („G8“) mit seiner Lehrstoffverdichtung und seinem Verlust an individuellem Gestaltungsraum sind allenfalls begrenzt im Interesse der Generation Z.

Wohin man auch schaut: Es sticht einem einfach nichts ins Auge, wo Politiker sich tatsächlich für die Generation Z einsetzen.

Sicherlich kann man jetzt eine schnelle Antwort anbieten und vorschlagen, die Politiker mögen doch „einfach“ mal mit Politik für die Generation Z anfangen. Doch da stellt sich ein ganz anderes Problem:

Problem #2: Politiker wissen wenig über die Themen der Generation Z

Politiker leben in ihrer eigenen Welt, haben eine eigene Sprache und eine ganz eigene Sicht auf die Realität. Politiker handeln aus ihrer Sicht meist richtig und sehen allenfalls manchmal ein Kommunikationsproblem, weil wir „Mitbürger“ die Aussagen der Politiker intellektuell nicht richtig verarbeiten können.

Diese Entkopplung von Politikern – die sich auch eindrucksvoll mit Zahlen belegen lässt – stellt ein Problem dar, denn Politiker scheinen auch nicht ansatzweise zu ahnen, was die junge Generation beschäftigt.

Wenn man – wie es der Verfasser dieses Beitrags vereinzelt (aber immer erfolglos) versucht hat – mit Politikern und ihren Beratern über dieses Problem sprechen will, erfährt man allenfalls, dass die Parteijugend hochmotiviert und alles im grünen Bereich sei. Ansonsten macht man es sich einfach: Gleichzeitig wird als perfekte Strategie der Verdrängung angezweifelt, dass es die an Politikern desinteressierte Generation Z überhaupt gibt. „Die Jugend“ verhalte sich doch irgendwie so wie alle anderen Generationen zuvor. Sie sei lediglich „noch jung“, ein Nachteil, der sich aber definitionsgemäß rasch und von selbst lösen wird.

Problem #3: Politiker können kaum mit der Generation Z kommunizieren

Sicherlich versuchen Politiker immer wieder, eine Gesprächsbasis mit „der Jugend“ zu schaffen. So versuchte sich Angela Merkel im Gespräch mit dem Video-Blogger LeFloid. Viele Politiker twittern regelmäßig, offenbar ohne zu wissen, dass Twitter für die Generation Z eher „out“ ist. Noch mehr „out“ bei den Jugendlichen ist Facebook: Dort trifft sich alles, von Horst Seehofer bis hin zu Sigmar Gabriel, der aber auf seiner Seite darauf hinweist, dass die „redaktionelle Pflege“ durch das Willy-Brandt-Haus erfolgt.

Vieles, was Politiker versuchen, funktioniert einfach nicht und so landen Politiker eher unfreiwillig in den sozialen Medien. So sang Andrea Nahles im Bundestag zu Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf „Ich mach‘ mir die Welt“ und fand immerhin rund 100.000 Zuschauer. Zumindest passt dieses Lied gut zur jüngeren Generation: Auch die Generation Z will sich ihre eigene Welt schaffen, will ihr kleines Häuschen und eine große Distanz zu Politikern sowie allen anderen Gestaltern von Gesellschaft und Wirtschaft, die fast ausschließlich anderen Generationen zugehören.

Besonders tragisch ist es, wenn die wenigen im politischen System aktiven Jugendlichen selber die politische Kaste ins Abseits drängen. Man betrachte hier beispielsweise das Video, das die Grünen 2014 nach der Europawahl im Internet publizierten. Dort springt die deutsche Abgeordnete Terry Reintke plötzlich wild winkend in das Bild hinein und produziert einen bedeutungsschwangeren Dialog: „Juhu!“ „Huch? Hey, Terry, was machst du denn hier?“ „Alter.“ „Ich bin doch jetzt auch neugewählte Abgeordnete.“ „Was? Geil!“ „Jaa.“ „Sauber.“ Wenn man diesem Dialog ihre Jahresbezüge von angeblich rund 200.000 Euro gegenüberstellt, wird klar, dass die junge Generation selbst positive Bilder wie „Europa“ allenfalls als „die größte Selbstbedienung aller Zeiten“ wahrnimmt.

Problem #4: Politiker dominieren Nachrichtensendungen und Talkshows

Warum soll man sich die Tagesschau anschauen? Dort geht es nicht um Unternehmen, die irgendetwas unternehmen. Es geht auch nicht ansatzweise um Menschen, die irgendetwas tun oder nicht tun. Es geht überwiegend um Politiker, die sich irgendwo in einem Paralleluniversum bewegen und von oben herab die Welt kommentieren. Dass alles das zusätzlich mit den immer gleichen Politikern in den immer gleichen Talkshows in der immer gleichen Form abgehandelt wird, trägt auch nicht dazu bei, dass die Generation Z irgendein Interesse an diesem Bereich entwickelt.

Die Problematik zeigt sich ebenso eindrucksvoll an der aktuellen Flüchtlingsthematik: Hier sieht man viele Politiker, die über Flüchtlinge reden und sie aus ihrer Sicht analysieren und interpretieren. Es sprechen fast nur Politiker, kaum aber Experten, Bürger oder die Geflohenen selbst. Vor allem aber kommen wenige Vertreter der Generation Z zu Wort, obwohl sie langfristig mehr als alle anderen Generationen durch diese Entwicklung – wie auch immer – betroffen sind.

Problem #5: Politiker sehen in der Generation Z wenig Wählerpotenzial

Politiker brauchen Wählerstimmen. Jeder, der unsere Demokratie schätzt, stimmt dieser trivialen Aussage zu – und das ist auch gut so. Nur beginnen Politiker scheinbar spätestens am Wahlabend damit, sich mit ihrer Wiederwahl zu beschäftigen und fangen an, Wählerpotenziale zu analysieren. Und da ist es in Deutschland nun einmal so, dass laut der entsprechenden Statistiken die Babyboomer und die Silent Generation zusammen etwa 35 Millionen Wählerstimmen ausmachen, während die Generation Z heute lediglich 7,5 Millionen Stimmen stellt. Es rechnet sich also für Politiker nicht, sich um die Generation Z zu kümmern: Der demografische Wandel führt dazu, dass angesichts der relativ geringen Anzahl potenzieller Wähler bei der Generation Z die Kosten-Nutzen-Relation aus Sicht der Politiker immer schlechter ausfällt.

Problem #6: Politiker sind keine Vorbilder mehr

Bei Politikern fallen der Generation Z viele Eigenschaften ein, aber vermutlich selten Worte wie charismatisch, ehrlich oder geistreich. Die Zeiten, in denen John F. Kennedy, Willy Brandt und (kurzfristig) Barack Obama als Vorbilder strahlten, sind vorbei. Da dürften (Soap-)Schauspieler, Reality-Show-Darsteller sowie Fußball-Stars für die junge Generation wesentlich reizvollere Bezugspersonen darstellen.

Wie soll irgendjemand aus der jungen Generation Verständnis für Politiker vom Typ Ronald Pofalla mit seinem Wechsel zur Deutschen Bahn entwickeln? Die Selbstversorgungsmentalität der Politiker, bei der man auch Diätenerhöhungen, Versorgungsansprüche und die bereits oben erwähnten Einkommen der Europapolitiker anbringen kann, kommt zwangsläufig nicht gut bei der jüngeren Generation Z an.

Problem #7: Politiker übersehen die anstehenden Konflikte mit der Generation Z

Die Generation Z ist nicht kompatibel zu unserer aktuellen Politik, egal, ob man sich Rentenpolitik, Bildungspolitik oder Industriepolitik anschaut. Nimmt man exemplarisch die Industriepolitik und Stichworte wie Industrie 4.0 oder Digitalisierung, so bahnt sich im Schulterschluss aus Politikern mit Unternehmensvertretern, entsprechenden Technologieberatern und auf reine Digitalisierung fokussierten Forschern eine Arbeitswelt an, in der Menschen zu weitgehend flexibel nutzbaren Objekten degradiert werden. Dazu gehört auch die Aufhebung von festen Arbeitszeiten.

Die Generation Z hat eine ganz andere und durchaus vernünftige Einstellung zur Arbeit, ganz im Sinne einer deutlichen Trennung von Beruf und Privat bei konsequenter Betonung von Gesundheit. Vieles hiervon fehlt in dem, was sich Politiker derzeit ausdenken. Zumindest die Vertreter der Generation Z (aber durchaus auch Mitglieder anderer Generationen) streben dagegen nach einer neuen Form der Beschäftigung in der Industrie 4.0: Dort entsteht die Arbeitswelt 4.0 nicht nur technikzentriert, sondern vor allem auch „menschenzentriert“.

Spätestens der zuletzt genannte Punkt müsste Politiker aufwecken, also zum Umdenken und Andershandeln animieren. Denn sonst haben wir bald zusätzlich zu diversen anderen Baustellen auch einen Konflikt mit der Generation Z. Der Ball liegt also im Spielfeld der Politiker. Mal sehen, ob sie bereit sind, ihn aufzunehmen.

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