Die-Gen eration-Z

Christian Scholz Gedanken und Materialien zur Generation Z



 

1998: Bologna-Idee geboren

von Christian Scholz am 31. Mai 2018

Vor 20 Jahren gab es in Paris eine entscheidende Überlegung, woraus ein Jahr später der Bologna-Beschluss werden sollte. Und genau diese Veränderungen betreffen die Generation Z noch heute. Und zwar mehr, als sie es wahrnehmen will. Deshalb hier und zum Jahrestag der Entscheidung eine Hintergrundinformation.

Warum muss die Generation Z „Bologna“ verstehen?

Ohne es zu merken, werden große Teile der Generation Z von „Bologna“ geprägt. Und eigentlich sollte ja jeder wissen, wodurch er geprägt wird.

„Bologna“ ähnelt der Rentenreform, weil sie nämlich ebenfalls zu Lasten der Generation Z geht.

Die Generation Z wird sich nicht kollektiv dagegen wehren: Aber jeder für sich sollte individuelle Konsequenzen ziehen.

Wer hat sich das Ganze ausgedacht?

Zum einen Politiker aus ganz Europa, die Jugendliche aus Europa enger zusammenführen wollten. Stichwort: Mobilität – und da spricht nichts dagegen. Ob das geklappt hat, muss allerdings bezweifelt werden.

Zum anderen Großunternehmen in Deutschland, die andere Absolventen wollten. Stichworte: Jünger, „anwendungsnah spezialisiert“, billiger, formbarer. Und da spricht einiges dagegen. Zudem: Nur in Deutschland wurde „Bologna“ so krass umgesetzt.

Was wurde geändert?

Erstens: Statt eines integrierten Studiums („Diplom) aus vier bis fünf Jahren gibt es eine Grundstufe („Bachelor“), die aus drei oder vier Jahren besteht, und eine Profi-Stufe („Master“), die ein bis drei Jahren dauert. Die meisten Jugendlichen sollen „nur“ den Bachelor machen und dann gleich in den Job gehen. Und nur wenige sollten überhaupt in den Master wechseln dürfen. Zumindest war dies die Absicht.

Zweitens: Statt inhaltlich zusammenhängender und aufeinander aufbauender Lehrveranstaltungen kam ein bunter (aber durch das Handbuch geregelter) Strauß an Modulen, die im Prinzip alle „gleichrangig“ nebeneinander stehen. Nichts baut aufeinander auf, alles muss mit allem kombinierbar sein.

Drittens: Statt ein oder zwei Semester gründlich im Ausland zu studieren, soll man in kürzeren Auslandsaufenthalten einfache Module besuchen, bei denen es primär um Landessprache und -kultur geht. Dennoch ersetzen diese Module dann an der Heimat-Universität Kerninhalte des Studiums. Ergebnis: Qualifikationsdefizite!

Viertens: Das alles hat extrem-zentralisierenden Einfluss auf die Organisation („Governance“) der Hochschule – traurig, aber wahr, doch das ist eine andere Geschichte.

Wer freut sich?

Ob Politiker – wenn sie ehrlich antworten würden – über das Ergebnis von „Bologna“ glücklich sind, ist fraglich. Ihr Glück: Die Generation Z hat keine Lust, sich mit Politikern zu streiten. Sonst würden sie eine schwarze Liste aller Minister erstellen, die unser deutsches Bologna „verbrochen“ haben.

Es gibt lautstarke Unternehmensvertreter, die mit den Bachelor-Absolventen glücklich sind – ihnen aber keine wirkliche Chance im Unternehmen geben, wie die scheinheilige Aktion „Bachelor-Welcome“ traurig, aber eindrucksvoll gezeigt hat.

Und die Medien? Die waren (bis auf zeitweise die FAZ) immer schon auf „Bologna“-Kurs und haben selbst konstruktive Kritiker als „Ewig-Gestrige“ verteufelt.

Was ist das Problem?

Selbstorganisation ist bei Studierenden kaum noch erforderlich, wird also auch nicht gelernt und gelebt. Es gibt immer mehr klare Strukturen – und die Generation Z lernt sie zu lieben, denn derartige Strukturen machen das Leben einfacher. Die Generation Z verlernt allerdings auf diese Weise auch in unsicheren Kontexten zu bestehen. Gefährlich!

Gearbeitet und gelernt wird nur für Klausuren – und dann wird alles schnell vergessen. Denn es geht primär um das Bestehen der Prüfung („Bulimie-Lernen“). Eine Hausaufgabe, für die es keine Punkte gibt, wird nicht gemacht – egal wie wichtig oder interessant sie ist. Warum auch? Die Denkhaltung „Keine Arbeit ohne Belohnung“ setzt sich immer stärker fest. Dozenten reagieren und reduzieren ihr Angebot an kreativen Aufgaben „ohne Punkte“ und „ohne unmittelbaren“ Klausurbezug. Sehr gefährlich!

Vermittlung von breitem Wissen: Fehlanzeige. „Denken in Zusammenhängen“: nicht mehr angesagt. Man hat den Eindruck, die Generation Z soll überhaupt nicht mitdenken und es solle eine Spezies Mensch entstehen, die sich brav in die Produktionsprozesse eingliedert – ohne kritisches Hinterfragen und ohne eigene Meinung. Am gefährlichsten!

…. und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Wird sich kollektiv etwas ändern?

Eine Revolte vom Typ „Empört Euch“ (Stéphane Hessel) wird von der Generation Z erst dann kommen, wenn auf eine solche Revolte folgende Merkmale zutreffen: klausur-relevant, von der jeweiligen Hochschulleitung abgesegnet, Reisekosten und Materialkosten werden gegen Beleg aus Budgets der Hochschule erstattet, verbunden mit Zusatzpunkten für die Klausur, erbringbar zwischen 9 und 17 Uhr.

Wann wird diese Revolution also kommen? Vermutlich niemals.

Was muss individuell passieren?

Studierende der Generation Z brauchen eine eigene, persönliche Qualifizierungsstrategie. Und zwar einzelne für sich selbst. Und fernab irgendwelcher manipulierender „Beratungszentren“.

Sonst hat die Generation Z trotz ihres „demografischen Vorteils“ in der Arbeitswelt keine Chance. Helfen wird ihr keiner. Zu viele mächtige Personen in Deutschland sehnen sich nach braven kleinen JA-Sagern, die – um Aldous Huxley beziehungsweise Neil Postman zu zitieren – nicht einmal mehr wissen, was sie verloren haben.

Gibt es noch Hoffnung?

Ja, in Frankreich und in einigen anderen europäischen Ländern kommt etwas Bewegung auf. Vielleicht in zehn Jahren auch in Deutschland. Das aber ist zu spät für die Generation Z.

 

Christian Scholz, 31. Mai 2018

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